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DIE WIENER DEKLARATION ZUR INFORMATIONS- UND MEINUNGSFREIHEIT 2014

Die folgende Deklaration (in deutscher Sprache) der Internationalen der Konferenz „Freedom of Information Under Pressure. Control – Crisis – Culture” kann in ihrer englischen Fassung hier unterzeichnet werden.

Wir, Mitglieder der Öffentlichkeit, TeilnehmerInnen und Vortragende der Konferenz „Freedom of Information Under Pressure. Control – Crisis – Culture” unterzeichnen die folgende Deklaration zur Informations- und Meinungsfreiheit. AkademikerInnen, MedienpraktikerInnen, BibliothekarInnen, ExpertInnen in den Bereichen offene Kultur und öffentlicher Raum, AktivistInnen, kritische BürgerInnen, RechtsanwältInnen und EntscheidungsträgerInnen aus sieben Ländern Europas haben daran teilgenommen:

Nach dieser Wiener Konferenz vom 28. Februar und 1. März 2014 und nach Diskussion der Herausforderungen der Informationsfreiheit im Zuge der Aufdeckungen von Überwachung und der Zunahme der Zensur und Verfolgung von Medien, JournalistInnen und WhistleblowerInnen in und über Europa hinaus, bringen wir unsere tiefe Besorgnis zum Ausdruck und appellieren an die öffentliche Wachsamkeit, damit Informations- und Meinungsfreiheit als wichtige demokratische Rechte verteidigt werden können.

Wir sehen Edward Snowdens Aufdeckungen als Weckruf. Bei seiner Geschichte geht es nicht um einen Mann, der geheime Informationen veröffentlicht hat, sondern um Privatsphäre, BürgerInnenrechte, Macht und Demokratie. Es geht aber auch um die Zukunft des Internets, die Natur demokratischer Kontrolle und vieles mehr.

Wir verurteilen die Existenz eines überwachungs-industriellen Komplexes, in dem amerikanische, britische und andere europäische Geheimdienste Massenüberwachung des Internets, sozialer Medien, mobiler und Festnetztelefone in Zusammenarbeit mit Kommunikationsunternehmen wie Google, Facebook, Microsoft, Apple, Skype, Yahoo! und Aol sowie privaten Sicherheitsfirmen durchführen.

Wir drücken unsere Solidarität und Unterstützung für WhistleblowerInnen und JournalistInnen wie Julian Assange, Edward Snowden, Chelsea Manning, Laura Poitras, Glenn Greenwald, und Organisationen wie the Guardian u.a. aus, die versuchen, Transparenz und öffentliche Rechenschaftspflicht herzustellen. Wir verurteilen ihre Unterdrückung und Strafverfolgung, die wir als große Gefahr für die Informationsfreiheit ansehen.

Wir verdeutlichen ein massives Paradox der Medien im 21. Jahrhundert: Obwohl mehr Menschen als jemals zuvor die Mittel haben, sich frei auszudrücken, gibt es sehr große Machtasymmetrien, welche die Kontrolle der Medien durch Konzerne und den Staat fördern: JournalistInnen in Europa und vielen anderen Regionen sind mit einem alarmierenden Anstieg an gewalttätigen Angriffen, Einschüchterungen, Rechtsdrohungen und anderen Restriktionen ihrer Arbeit konfrontiert. Zu den wichtigen Faktoren dieses Paradoxons gehören die Zunahme von Anti-Terrorismus-Gesetzen und neuen Nationalismen, die Verschmelzung von politischer, ökonomischer und Medienmacht sowie die Schwächung der Macht von kritischen und qualitativ hochwertigen Medien, wozu unabhängige Medien, investigativer Journalismus und öffentlich-rechtliche Medien zu zählen sind. Außerdem werden das Internet und soziale Medien zu einem großen Teil von Konzernen kontrolliert und es gibt nicht genug materielle Unterstützung für alternative Internet- und Medienprojekte. Diese Kombination stellt eine existentielle Herausforderung für kritische Medien, unabhängigen Journalismus und die bestehenden Rahmenbedingungen internationaler Rechts- und Schutzbestimmungen der Presse-, Ausdrucks-, Rede-, Informations- und Meinungsfreiheit dar.

Wir betonen, dass die derzeitige Krise und die Sparmaßnahmen ernsthafte negative Auswirkungen auf wichtige demokratische Freiheiten haben. Die offiziellen Krisenreaktionen waren Grundlage für die weitere Zentralisierung der Macht von Konzernen, des Staates und der Medien, wodurch die Informationsfreiheit unterminiert wird und die Verfolgung von BürgerInnen, AktivistInnen, JournalistInnen und Medien gefördert wird. Wir verurteilen insbesondere Versuche, kritische, unabhängige und öffentlich-rechtliche Medien zu einzuschränken oder zu schließen. Die Schließung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders ERT durch die griechische Regierung ist in diesem Zusammenhang eine besonders alarmierende Entwicklung.

Wir betonen, dass unter den Bedingungen der Privatisierung und Bürokratisierung die Möglichkeiten, die durch den Zugang zu Information und öffentlichem Wissen geschaffen werden, beeinträchtigt sind. In vielen Ländern und auf überstaatlicher Ebene fehlt es an adäquaten Gesetzen, die Transparenz von Unternehmens- und staatlicher Macht und den Zugang der BürgerInnen zu Informationen ermöglichen, die es ihnen erlaubt, Machthaber zur Rechenschaft zu ziehen.

Eine besonders alarmierende Entwicklung der Begrenzung der Informationsfreiheit gibt es im Bereich der Bibliotheken: große private Verlage tendieren dazu, den Zugang zu akademischen und literarischen Werken nur in der Form von teuren Bündeln als Lizenzen auf Zeit und nur mit Restriktionen zu vergeben und den Zugang zu einfach benutzbaren elektronischen Büchern schwierig und teuer zu gestalten. Das Ergebnis ist eine Begrenzung des öffentlichen Zugangs zu kulturellen Werken, so dass die Menschen sich mehr und mehr ausschließlich auf den Kauf von Büchern und Artikeln verlassen müssen, was eine Frage der Kaufkraft ist und daher Nachteile für viele BürgerInnen mit sich bringt. Die Unternehmensmacht der Verlage begrenzt dadurch das Recht der Öffentlichkeit, sich zu informieren.

Wir betonen, dass das Recht auf Zugang zu Information Bürger- und politische Beteiligung fördern kann, indem das Vertrauen in politische und entscheidungstragende Institutionen erhöht wird, während es Phänomene wie Lobbyismus und Korruption bekämpfen kann. Offener Zugang zu öffentlichem und digitalisiertem Wissen sowie zu Forschungsergebnissen ist auch wichtig für die kontinuierlichen Bildungsmöglichkeiten der Öffentlichkeit und von ExpertInnen, für die Förderung kultureller Produktion und kultureller Vielfalt sowie zur Erhaltung des historischen und kollektiven Gedächtnisses. Neue soziale Medien, Bibliotheken und Archive können und sollen dabei eine wichtige Rolle in diesem Bereich spielen.

Wir fordern Medienreformen und eine tiefergehende und nachhaltigere öffentliche Diskussion, damit kritische, alternative, unabhängige und öffentlich-rechtliche Medien mit adäquaten Ressourcen ausgestattet werden, damit eine Ressourcenbasis für alternative Internetplattformen, alternative soziale Medien, alternative Software- und Open Access-Projekten etabliert werden kann und die Vormachtstellung der Werbekultur in den Medien und im Internet limitiert wird. Wir fordern auch Rechts- und Sicherheitsbestimmungen für NachrichtenjournalistInnen, Mechanismen, die NutzerInnen vor der Kommodifizierung persönlicher Daten bewahren sowie effektive Maßnahmen, freie und unabhängige Medien zu schützen und JournalistInnen sowie BürgerInnen vor Gewalt und Belästigung bewahren.

Wir sind überzeugt davon, dass Informationsfreiheit ein Gut ist, für das es sich lohnt, zu kämpfen und dass die derzeitigen Rahmenbedingungen und Entwicklungen Freiheit, Demokratie und grundlegende BürgerInnenrechte stark bedrohen.

Eine freie Kultur, eine freie Informationsökonomie und eine freie Informationspolitik sind möglich!

Auch Sie können diese Deklaration der Internationalen der Konferenz „Freedom of Information Under Pressure. Control – Crisis – Culture” in ihrer englischen Fassung hier unterzeichnen. Bisher wurde sie von der Mehrheit der Referentinnen und Referenten der Konferenz unterschrieben.

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