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Thesen zur Universitätspolitik

transform!at, ein Verein zur Förderung linker Diskurse und Politik, erklärt sich mit den Zielen des Protesttages der Studierenden und HochschulleherInnen solidarisch und ermutigt die Studierenden in der Europäischen Union, ihren Protest gegen die neoliberale Umgestaltung der Lehranstalten für Höhere Bildung fortzusetzen.

Im Rahmen unseres Vereins diskutierten wir Verbesserungsmöglichkeiten und Alternativen zur gegenwärtigen Situation. Die ersten Resultate dieser Diskussion wollen wir hier zur Kenntnis bringen. Mittlerweile hat sich em. Univ.-Prof. Reinhard Mocek aus Halle mit einem kritischen Beitrag in die Diskussion eingeschaltet, der in den Rohrbacher Manuskripten, Heft 16, Leipzig 2010 gemeinsam mit einer erweiterten Fassung der nachstehenden Thesen und mit einem Beitrag von Univ.-Prof. Dr. Gert Graebe aus Leipzig abgedruckt ist.

Thesen zur Universitätspolitik

„Ich halte dafür, dass das einzige Ziel der Wissenschaft darin besteht, die Mühseligkeit der menschlichen Existenz zu erleichtern.“ Bertolt Brecht, Leben des Galilei



1. Dass die österreichischen Universitäten wie das gesamte Bildungssystem sich in einer tiefen Krise befinden, bezweifelt heute niemand. Änderungen stehen an, und die gegenwärtigen Proteste werden sie befördern. Die Befunde über die Ursachen und die vorgeschlagenen Auswege unterscheiden sich aber entsprechend den unterschiedlichen und gegensätzlichen Interessen. Man kann es auch anderes ausdrücken: Um die Funktion der Hochschulen wird zurzeit -- europaweit -- eine heftige gesellschaftspolitische Auseinandersetzung geführt. Dabei kommen die Studierenden weniger zu Wort, als dass über sie geredet wird. Ihre Wünsche und Forderungen wurden allzu lange Zeit von den politischen Entscheidungsträgern ignoriert. Insofern der Kapitalismus eine Klassengesellschaft ist, hat diese politische Auseinandersetzung um die Universitäten eine klassenpolitische Dimension. Von Kapital und Regierung wird mit Verweis auf die diversen Rankings, die die österreichischen Universitäten jeweils in den 150-f.f.-Rängen verzeichnen, vor allem auf eine höhere Effizienz bei der Produktion“ von flexibel einsetzbarer, hierarchisch qualifizierter und politisch angepasster akademischer Arbeitskraft („Erfinderische Zwerge“, Bertolt Brecht, Leben des Galilei) gedrängt. Das Hauptinstrument ist dabei die Vermarktung von Wissen und Bildung und die Privatisierung ihrer „Produktionsstätten“. Das ist die Essenz aller Universitätsreformen innerhalb der EU. Paradigmatisch ist dieses Modell einer von Bildung entleerten und auf das spätere berufliche Funktionieren reduzierten Ausbildung an den Fachhochschulen verwirklicht. Vom ursprünglichen Anspruch einer Universität ist hier nichts mehr übrig. In der gegenwärtigen globalen Krise des Kapitalismus erweist sich aber exakt das so definierte, herrschende Wissenschaftsverständnis als ein ausschlaggebender Teil des Problems und nicht der Lösung.

2. Das politische Kräfteverhältnis ist in Österreich und in Europa durch eine Hegemonie des Neoliberalismus gekennzeichnet. Die kapitalistische Krise hat diese nicht erschüttert. Sie führte europaweit bislang eher zu einer Rechtsentwicklung, darunter einem Anwachsen der extremen Rechten, als zu einer Stärkung der Linken. Vor diesem Hintergrund ist für österreichische Verhältnisse die Bewegung der Studierenden die wichtigste erfreuliche politische Tatsache der vergangenen Jahre. Mit der neoliberalen Globalisierung haben sich die sozialen und gesellschaftlichen Probleme weltweit enorm verstärkt. Sie betreffen das Verhältnis der Kulturen und internationalen Beziehungen, den Sozialstaat und die Entsolidarisierung aufgrund wachsender Ungleichheit, die internationalen Finanzmärkte und die Konkurrenz der Wirtschaftsstandorte, die Umwelt und das Klima. Als Einrichtungen, die der Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme und von Lösungsansätzen für diese Probleme dienen, sind Forschung und wissenschaftliche Ausbildung in besonderer Weise aufgerufen, sich der gegenwärtigen Herausforderungen anzunehmen und ihre Aktivitäten darauf auszurichten. Die Mehrheit der Studierenden, die aufgrund von Berufstätigkeit bereits während des Studiums zu den lohnabhängigen, prekarisierten Schichten der Gesellschaft gehört, und deren Berufsperspektive im günstigsten Fall in lohnabhängiger Beschäftigung, im schlechtesten Fall in Arbeitslosigkeit besteht, hat von der kapitalkonformen, neoliberalen Universitäts-Antireform nichts außer Leistungsdruck und Disziplinierung zu erwarten.

3. Die neoliberale Ideologie mystifiziert die kapitalistischen Interessen als wertfreie Effizienzfragen. Effizienz bestehe in der optimalen Anpassung des Bildungssystems an die Erfordernisse der globalisierten Wettbewerbswirtschaft, wie sie die Lissabon-Strategie der EU definiert. Im Hinblick auf die Universitäten soll das durch den Bologna-Prozess bewerkstelligt werden. Da aber der neoliberale Kapitalismus nicht das „Ende der Geschichte“, also die Zukunft weiterhin strittig ist, stellen Inhalt, Ausstattung und Struktur des Bildungssystems ein gesellschaftspolitisches Konfliktfeld dar, auf dem die Kräfteverhältnisse zwischen den großen gesellschaftlichen Gruppen den Ausschlag geben. Diese gesellschaftspolitische Auseinandersetzung wäre an den Hochschulen selbst transparent zu machen, damit eine adäquate gesellschaftspolitische Einordnung hochschulpolitischer Konflikte und Ziele möglich wird.

4. Die organisatorische Gestaltung der Hochschulen und Universitäten sowie deren Finanzierung schaffen die Bedingungen, damit diese Einrichtungen ihre Aufgaben erfüllen und sich den gesellschaftlichen Herausforderungen stellen können. Die gegenwärtigen organisatorischen Verhältnisse und die finanzielle Ausstattung entsprechen in keiner Weise diesen Herausforderungen. Die hierarchischen Strukturen zwischen Universitätsrat, Universitätsleitung, Professoren, wissenschaftlichem Personal und Studierenden schränkt die wissenschaftliche Freiheit und die freie Bildung von Projektteams innerhalb und zwischen Disziplinen ein. Die geringe öffentliche Finanzierung beschränkt die Grundlagenforschung und die Ausrichtung der Forschung an Problemen der Allgemeinheit und macht die universitäre Forschung empfänglich für private Finanzierung und den Einfluss von wirtschaftlichen Partikularinteressen. Die Demokratisierung der universitären Strukturen und eine massive Anhebung der finanziellen Mittel für Hochschulen, Universitäten und öffentliche Wissenschaftsfonds sind dringende Anforderungen an die Politik, die durch ein neues Hochschulorganisations- und Finanzierungsgesetz in Österreich in die Praxis umgesetzt werden könnten.

5. Die mangelnde öffentliche Finanzierung betrifft auch die Lehre und die Studien. Gleichzeitig wird von politischer Seite beteuert, dass der AkademikerInnenanteil Österreichs im internationalen Vergleich zu niedrig sei. Die konservativen und neoliberalen Kräfte sind bestrebt, die steigenden Kosten der Bildungen auf die Studierenden abzuwälzen. Auf diese Weise wird eine soziale Auslese des Bildungszugangs begünstigt. Die Einrichtung der Fachhochschulen ist durch den steigenden Bedarf der Wirtschaft an Fachkräften motiviert, die Einführung des Bolognasystems an den Universitäten wird mit der Verbesserung der studentischen Mobilität in der EU sowie der Reduzierung der Abbrecherquoten begründet. Diese Veränderungen des Studiensystems wurden allerdings in der Art und Weise vorgenommen, die mit einem Qualitätsverlust der akademischen Ausbildung einhergeht: Die Fachhochschulen weisen eine enge fachliche Orientierung auf, ihre Curricula enthalten kaum Inhalte, die die gesellschaftlichen Auswirkungen und Zusammenhänge von Technik und Wissenschaft thematisieren. Die Bachelorstudien an den Universitäten sind von ihrer Konstruktion her ein Zwitterwesen: sie erfüllen weder die Anforderungen einer beruflichen Ausbildung zufriedenstellend noch die Anforderung einer wissenschaftlichen Vorbildung. "Die „Studienreform“ nach dem Bolognaprozess folgt einem Wissenschaftsverständnis, das unkritisch und affirmativ ist. Die Hierarchisierung des Studiums suggeriert, dass zur Bewältigung gesellschaftlicher Probleme und zur individuellen Orientierung in Arbeit und Lebensführung nicht mehr umfassende Bildung erforderlich ist, sondern auf Vermarktung ausgerichtete Studieninhalte von oben verordnet werden können. Es wird eine Hierarchisierung vorgenommen, die suggeriert, dass nur wenige Universitäten „exzellente“ Wissenschaft betreiben und der Rest bloß „Vermittlung“ macht. Kritik als Prinzip von Forschung und Lehre wird negiert.

6. Die Anreicherung der Fachhochschulausbildung mit sozialwissenschaftlichen Inhalten bei einer Anhebung der Studienzeit um ein Jahr könnte der engen fachlichen Orientierung entgegenwirken. Die Rückführung der Ausbildung an den Universitäten auf ein zweigliedriges System könnte zu einer wesentlichen Qualitätsverbesserung führen. Dies könnte dadurch erreicht werden, dass das Masterstudium, als die erste Stufe, einerseits hinsichtlich der fachlichen Inhalte an die Fachhochschulausbildung angeglichen wird und andererseits von einer theoretischen Vertiefung und transdisziplinären Aspekten begleitet wird. Seine Fortsetzung könnte im Doktorratsstudium gesehen werden. Insgesamt wäre ein solches Studiensystem dreigliedrig (Fachhochschule, Masterstudium, Doktoratsstudium) und könnte durchlässig gestaltet werden.

7. Wissenschaftliches Denken, das an den Universitäten und Hochschulen vermittelt wird, sollte nicht auf der Ebene des wertfreien Positivismus steckenbleiben, sondern mit Wertfragen und ethischen Dimensionen zusammengeführt werden. Wissenschaft muss menschlich und emanzipatorisch werden, an Friedenserhaltung, sozialer, ökologischer und geschlechtergerechter Nachhaltigkeit ausgerichtet sein und nicht bloß an wirtschaftlichen Partikulärinteressen. Die universitären Lehrstätten sollten prüfen, ob und wie weit Persönlichkeitsbildung (Fähigkeiten zur Kooperation, Selbstkritik, Empathie, Großzügigkeit, Selbstlosigkeit, Perspektivenwechsel, interkulturelle Erfahrungen etc.) im Zuge des Bildungswesens explizit vermittelt werden könnten. Soziale Experimente mit alternativern Arbeits- und Lebensformen auf freiwilliger Basis sollen nicht verhindert, sondern gefördert, durch Begleitforschung professionalisiert und in den Massenmedien verbreitet und zur Diskussion gestellt werden. Beispiele sind zahlreich: Studienzirkel, regionale Tauschkreise, open source Bewegungen, creative commons, targeted intelligence networks, kooperative Zusammenschlüsse aller Art, solidarische Ökonomien aller Art etc. Wissenschaftliche Texte und Ergebnisse, die mit staatlichen Mitteln erzielt wurden, sollen der Öffentlichkeit frei zur Verfügung gestellt werden. Um dies zu gewährleisten, sind von öffentlich finanzierten Universitäten/Hochschulen Informationspools einzurichten, die über das Internet kostenlos zugänglich sind. Private Bildungseinrichtungen können und sollen sich an diesen Pools beteiligen. Institutionen zur Analyse der Technikentwicklung und Technikbewertung sollen eingerichtet werden, die ein umfassendes Bild der Implikationen vor allem neuer Technologien und ihrer gesellschaftlichen Anwendungsmöglichkeiten und Folgen herauszuarbeiten erlauben. Ihren Ergebnissen sollte in den Massenmedien breiter Raum eingeräumt werden, um Bedürfnisse spezifischer Gruppen zu identifizieren und – wenn technisch machbar – zu befriedigen. Öffentliche Diskurse sollen initiiert und unterstützt werden.

8. Geschlechterverhältnisse strukturieren unsere Gesellschaft, fungieren als soziale PlatzanweiserInnen, schaffen Hierarchien und soziale Realitäten, auch an den Universitäten. Kritische Reflexion hegemonialer Geschlechter- und Machtverhältnisse sollte nicht nebenbei und zufällig stattfinden. Kritische feministische Gesellschaftstheorien und Wissenschaftsreflexion bedürfen einer festen Verankerung in der universitären Landschaft. Trotz des Bekenntnisses von Universitätsleitungen zur Interdisziplinarität wird das Potential der international renommierten Gender Studies nicht ausgeschöpft, sondern eher marginalisiert. Dagegen wäre eine institutionelle Verankerung feministischer Forschung und Lehre in allen Studienrichtungen wünschenswert. Eine verantwortungsvolle Personalpolitik an den Hochschulen sollte dieser Forderung durch verstärkte Berücksichtigung kritischer feministischer Wissenschaftlerinnen im Stellenplan Rechnung tragen. Die Forderung nach selbstbestimmter Wissensaneignung entgegen elitärer Deutungsmacht ist für Studierende, Lehrende und Forschende gleichermaßen zentral. Im Interesse aller orientiert sie auf einen Aushandlungsprozess selbstbestimmter und demokratischer Strukturen für die Zukunft. Dies kann nicht ohne die volle Mitbestimmung der größten Gruppe der Universitätsangehörigen passieren, der Studierenden! Selbstverständlich für eine offene, sozial durchlässige und demokratische Universität muss es sein, dass es zu keiner Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, sexueller Orientierung, Herkunft, Alter und Menschen mit besonderen Bedürfnissen kommt. Dies lässt sich in einer strukturell ungleichen Gesellschaft nur durch aktive Arbeit - aktive Frauenförderung durch eine 50%-Quote, Quoten zur Förderung von Menschen mit Migrationshintergrund sowie LGBTQ-Personen (lesbian, gay, bisexual, transgender/transsexual, queer) und weiteren Angehörigen systematisch diskriminierter Gruppen in allen Bereichen des Bildungswesens umsetzen.

9. Die Studierendenbewegung sollte für eine Zusammenarbeit mit allen demokratischen Strömungen und NGOs offen sein. Den Gewerkschaften und dem ÖGB kommt bei der Orientierung auf außeruniversitäre Bündnisse deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil sie nach Mitgliederzahl und Einfluss die größten Organisationen abhängig Beschäftigter darstellen. Gerade das Vordringen prekärer Beschäftigungsverhältnisse an den Universitäten selbst macht heute aber die gewerkschaftliche Interessensvertretung auch zu einer aktuellen inneruniversitären Notwendigkeit. Es ist eine politische Schwäche der österreichischen Gewerkschaftsbewegung, dass sie trotz der großen Bedeutung von Wissenschaft und Universitäten nur über unzureichende Vorstellungen bezüglich einer fortschrittlichen Wissenschafts- und Universitätspolitik verfügt. Gewerkschaftlich orientierte Hochschulangehörige sollen nicht aufhören, die inhaltlichen Ansprüche an eine demokratische, an den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung orientierte Universität selbst zu konkretisieren und gegenüber ihren potenziellen Partnern zur Diskussion zu stellen.

10. Die demokratische Umgestaltung der Hochschulen erfordert Änderungen auf nationaler Ebene, den Instituten, Studienrichtungen, den einzelnen Universitäten, den Universitätsgesetzen und der europäischen Gesetzgebung. Schematisch dargestellt, zielt eine demokratische Hochschulreform auf Änderungen auf vier Ebenen: • Dass Studiengebühren und andere Zugangsbeschränkungen sozial und geschlechtermäßig ausgrenzen, kann als erwiesen gelten. Der formell freie Universitätszugang stellt aber nur eine notwendige Voraussetzung, jedoch, wie die Erfahrung seit den 70er Jahren ebenfalls zeigt, keine hinreichende Bedingung für die Abschaffung des elitären Bildungsprivilegs dar. Dazu bedarf es neben einer einheitlichen sekundären Bildungsstufe vor allem einer ausreichenden sozialen Absicherung der Studierenden, das heißt leistbaren Wohnraums, leistbarer Mobilität und eines bedingungslosen Grundeinkommen bzw. die Lebenshaltung tatsächlich deckender Finanzierung. • Dafür werden in Zukunft beträchtlich mehr Mittel aufgewendet werden müssen. Der Ausbau der Universitäten wird zu einem Teil des allgemeinen Verteilungskonflikts in der Gesellschaft. Wollen die Universitätsangehörigen sich nicht in die von den Herrschenden betriebene Entsolidarisierung unterschiedlicher sozial benachteiligter Schichten einbeziehen lassen, so müssen sie sich in dieser Debatte positionieren, das heißt, die Finanzierung ihrer Forderungen zulasten der in den vergangenen Jahrzehnten exorbitant angewachsenen Profite verlangen. Erst dadurch überschreiten ihre Forderungen die Limits einer standesorientierten Orientierung und werden Teil einer gewerkschaftlichen und politischen Orientierung, die die Forderung nach ausreichend ausgestatteten Universitäten und sozial abgesicherten Studien zu einem Aspekt der Umverteilung der Einkommen und Chancen von oben nach unten macht. • Seit den 80er Jahren zielen alle universitären Reformen darauf, die Studieninhalte auf ihre kurzfristige Verwertbarkeit im Sinne ihrer kapitalistischen Anwendung zu optimieren. Inhaltliche Angebote, die auf eine Kritik des neoliberalen main stream in den Sozialwissenschaften oder auf eine kritische gesellschaftspolitische Reflexion von Natur- oder Technikwissenschaften zielten, wurden durch den Zuschnitt der Fachhochschul- und die Bachelorstudien marginalisiert. Die heutige weltweite Krise ist nicht zuletzt die Krise eines Wissenschaftsverständnisses, das darauf hinausläuft, Mensch und Natur umfassend im Sinne des Kapitals zu verwerten. Diesen Umstand muss eine demokratische Reform der Studieninhalte zum Ausgangspunkt nehmen. Demokratische Veränderung verlangt freie wissenschaftliche Auseinandersetzung. Sie setzt die Debatte um Alternativen voraus. Die Möglichkeit, den main stream des heutigen Wissenschaftsbetriebs auch von innen heraus durch alternative, kritische, marxistische und feministische Inhalte zu kontrastieren, muss einerseits mit politischen Mitteln durchgesetzt und andererseits in der universitären Praxis mit Leben erfüllt werden. Dazu ist erforderlich, die Debatte auf allen Instituten, in allen Studienrichtungen und Fakultäten so zu führen, dass die wissenschaftliche Deutungshoheit der derzeitigen Eliten in Frage gestellt wird. • Seit mehr als zwei Jahrzehnten laufen alle Universitätsreformen darauf hinaus, die studentische Interessensvertretung einzuschränken und die in den 70er Jahren eingeführten Ansätze einer Mitbestimmung von Studierenden, Mittelbau und externen Lehrbeauftragten abzuschaffen. So wie in der Arbeitswelt im Allgemeinen soll im Zeichen eines allgemeinen Wettbewerbs auch der Arbeitsplatz Universität zu einem politikfreien Raum werden. Unter dem Vorwand erhöhter Effizient werden alte hierarchische und autoritäre Strukturen wieder voll hergestellt. In dieser Atmosphäre gedeihen elitäre, rechtsextreme und deutschnationale Ideologien. Eine umfassende Demokratisierung der Universitätsstrukturen, die Wiederherstellung der Drittelparität auf allen Ebenen sowie der Rechte der direkt gewählten Studienrichtungsvertretungen, die Absicherung basisdemokratischer Partizipation durch Institutskonferenzen sowie der Direktwahl der ÖH-Bundesvertretung sind nicht nur hochschul-, sondern gesellschaftspolitisch relevant. Darüber hinaus dürfen die österreichischen Universitäten nie wieder wie in den 20er und 30er Jahren und bis herauf zu den 60er Jahren zum Brückenkopf deutschnationaler, antisemitischer, rassistischer und rechtsextremer Gruppen werden.