Premiere in Rom: Tsipras vom Papst empfangen.

Thursday, 18. September 2014 @ 20:51

"Der Papst ist kein Linker, aber er spricht wie einer", berichtet Peter Mayr im Standard aus Rom
(18. September 2014)

Premiere in Rom: Die Europäische Linke wurde vom Papst empfangen. Alexis Tsipras, Chef der griechischen Partei Syriza, sucht eine Allianz mit Franziskus. Um exakt 9.45 Uhr setzte sich die kleine Delegation in Bewegung. Von der Piazza del Sant'Uffizio ist es nicht weit ins Herz des Vatikans. Der geladene Gast wirkt angespannt. Es ist auch ein besonderer Termin: Zum ersten Mal trifft ein hochrangiger Vertreter der Europäischen Linken den Papst. Noch heikler ist diese Mission, weil es Alexis Tsipras, Chef der griechischen Linkspartei Syriza, ist - also der Gottseibeiuns vieler europäischer Spitzenpolitiker.

Rund zwei Stunden später gibt es einen gelöst wirkenden Tsipras. Dreißig Minuten dauerte die Privataudienz bei Franziskus. Es sei ein historisches Treffen gewesen, stellt Tsipras zufrieden fest. Das wurde auch anderen Ortes offenbar so gewertet: Denn kaum war der Termin für die Zusammenkunft publik geworden, habe es Druck aus Griechenland gegeben, hieß es aus der Delegation. "Die griechische Regierung mag nichts von dem, was ich mache. Sie mag mich nicht", sagte Tsipras dazu im Gespräch mit dem Standard.

"Wichtiger Dialog"

Die Themenpalette, die er mit Papst Franziskus besprochen habe, sei laut Tsipras sehr breit gewesen: Armut, Migration, Wirtschaftskrise und die herrschende Kriegsgefahr. "Der Dialog zwischen der Linken und der Kirche ist wichtig. Zwar gibt es unterschiedliche Ideologien, in vielen Punkten wollen wir aber dasselbe - also etwa Solidarität und Gerechtigkeit." Der Papst erkenne, so Syriza-Chef Tsipras, "die Wichtigkeit der Initiativen, um gegen Ungerechtigkeiten anzukämpfen". Kurz hätten sie dabei auch die griechische Innenpolitik gestreift. "Was ist passiert? Die Reichen wurden noch reicher, die Armen ärmer. Wir haben Banken gerettet, nicht die Menschen."


Eingefädelt hat das Treffen nicht zuletzt auch ein Österreicher: Walter Baier, von 1994 bis 2006 KPÖ-Vorsitzender, ist heute Koordinator von Transform, dem Thinktank der Europäischen Linken. "Sieben Monate Vorlauf hat es gebraucht", sagte er. "Damit hatten wir aber schneller eine Audienz beim Papst als ein Treffen mit dem Wiener Bürgermeister." Das steht bis heute aus.
Gemeinsame Themenfelder

Seit rund 15 Jahren bemüht sich Walter Baier um einen Dialog mit dem katholischen, aber auch evangelischen Bereich. "Der Papst steht den Anliegen der Linken - soziale Gerechtigkeit, Kapitalismuskritik - aufgeschlossen gegenüber." Dies seien auch Themenfelder, die viel breiter getragen werden müssen als bloß durch die politische Linke. Denn, so Baier: "In der herrschenden Krise der institutionalisierten Politik- und Parteienlandschaft stehen zwei Institutionen in einer besonderen Rolle: die Religionsgemeinschaften und die Gewerkschaften."

Tatsächlich lassen Botschaften wie Handlungen von Franziskus diese Lesart zu. Schon dessen erstes Apostolisches Schreiben von Ende November 2013 setzte deutliche Marker. "Nein zur sozialen Ungleichheit, die Gewalt hervorbringt", lautet eine Zwischenüberschrift; " Nein zur neuen Vergötterung des Geldes" eine andere. Darunter finden sich Textpassagen, die der Kommunist Baier eine "beißende Kapitalismuskritik" nennt. Der Papst schreibt etwa: "Die weltweite Krise, die das Finanzwesen und die Wirtschaft erfasst, macht ihre Unausgeglichenheiten und vor allem den schweren Mangel an einer anthropologischen Orientierung deutlich - ein Mangel, der den Menschen auf nur eines seiner Bedürfnisse reduziert: auf den Konsum."
Umstrittene Wende

Der neue Ton von Papst Franziskus passt auch innerhalb der Kirche nicht jedem. So wenden sich gerade fünf Kardinäle in einem Buch gegen einen neuen Kurs in der Frage zu geschiedenen Katholiken. Es gebe keinen Spielraum für Änderungen, wird unmissverständlich festgehalten. So offen hat bisher am vom Papst eingeschlagenen Weg innerkirchlich niemand gezweifelt. Das Treffen mit einem innerhalb der EU derart umstrittenen Politiker wie Tsipras wird innerhalb der römisch-katholischen Kirche wohl auch nicht nur positiv gesehen.

Transform-Koordinator Baier träumt allerdings bereits von einer breit aufgestellten Allianz, die "mehr Druck aufbauen kann". Eine Nagelprobe dafür könnte es Ende 2015 geben: Da findet in Paris der Weltklimagipfel statt.

Ob es zu weiteren Treffen zwischen ihm und dem Papst kommen werde? "Weiß ich nicht", sagte Tsipras. Den Dialog zwischen Kirche und der Linken aufrechtzuerhalten, sei dennoch wichtig. Außerdem habe die Zusammenkunft laut Tsipras eines gezeigt: "Der Papst ist kein Linker, aber er spricht wie ein Linker." (Peter Mayr aus Rom, DER STANDARD, 19.9.2014)

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